ABI-Zeitung


Vorwort

Noch hängt der Nebel über den Wiesen, die Sonne blinzelt nur schwach durch die Wolken hindurch. Grau ragt ein riesiger Betonkoloß aus dem kleinstädtischen Nichts empor. Die Schule erwacht sehr langsam zum Leben, träge schleichen die ersten Schülerinnen durch die weiten Gänge. Doch schon qualmen die Mülltonnen im Rauchergetto, um sie herum wärmen sich die Homis aus Rheda-Wiedenbrooklyn und HerzebronxClarholz. Hier sind die Sitten roh, der Ton rauh und der Feind klar. Da kommt er, mit steifem Zeigefinger, der braunen Aktentasche in der Hand, das rote Büchlein steckt erwartungsfroh in der Jacke. Gelingt es den Kids, den Alien zu erlegen? Oder siegt das Imperium der Space-LehrerInnen zum wiederholten Male über die RebellInnen? Der Ausgang ist wie so vieles ungewiß. Aber ernst jetzt! Schließlich machen wir hier Abitur, der Ernst des Lebens steht gewissermaßen vor der Tür (oder doch nur, wie so oft schon, falscher Alarm?). Zeit also, sich von den alten LehrerInnen-SchülerInnen Klischees zu verabschieden (nein, nicht alle LehrerInnen wollen Euch nur schlachten und gierig Euer Blut saugen, liebe SchülerInnen). Sicher hat oft gepaßt, was uns die Großen von unseren LehrerInnen erzählt haben. Aber nie läßt sich so einfach einE LehrerIn als A ....(schon blöd, wenn mensch so reif tun muß und die richtigen Wörter nicht benutzen darf) abtun, wie wir das häufig völlig unreflektiert getan haben. Und doch (der Text soll jetzt nicht in einer Predigt ausarten): Vom Himmel gefallen sind die LehrerInnen-SchülerInnen Schützengräber nicht. Was wird denn aus Menschen in der Schule gemacht? Du wirst mitten aus dem Leben mit zwanzig anderen Kiddis in eine Schulbank gezwängt. Da wird dann erwartet, daß Du still sitzt und die Autorität Deiner LehrerInnen als gottgegeben nimmst. Gut, am Anfang läßt sich das wohl noch so machen, ist doch die Mehrzahl der Kids ganz scharf darauf Lesen und Schreiben zu lernen wie die Großen. Aber schon früh kriegen die meisten die Grausamkeit der Schule zu spüren: jetzt wirst Du nach Noten eingeteilt, nach Deiner Leistung definiert. Wer nimmt nun noch grossartig Rücksicht auf Lerntypen, die nicht der Norm entsprechen? Es gibt Menschen, denen sich beispielsweise eine physikalische Formel erst durch praktische Anwendung vollständig erschließt. Diese Schüler/innen sind doch nicht automatisch dümmer als solche, die die Formel abstrakt am besten begreifen können. In der Schule aber wird vorrangig das abstrakte Denken gefordert und gefördert, Menschen die sich Themenkomplexen leider auf andere Art und Weise annähern, wird das lernen vermiest, sie gehen unter in der unpersönlichen Masse. Letztlich läuft es doch darauf hinaus: wer's nicht rafft, hat halt Pech gehabt. Pauken, den Stoff fressen, das verlangen viele LehrerInnen. Doch Frontalunterricht ist Anti-Lernen. Wann begreift einE LehrerIn Lernen denn schon mal als dialektischen Prozeß und zeigt das auch? Lernen geht eben nicht nur in eine Richtung, sozusagen als stumpfe Wissensvermittlung, es ist eine Wechselbeziehung. Auch LehrerInnen lernen: am offensten in der Diskussion zum Thema oder zu Lehrmethoden. Mutig, wer es wagt sich einer solchen Diskussion zu stellen. Schade, wenn LehrerInnen nur Andeutungen erlauben und still Reaktionen beobachten und daraus lernen. Ganz übel, wenn LehrerInnen das Lernen verneinen.

Es stellt sich die Frage: "Unglücklich das Land, das keine Helden hat.", oder "Nein. Unglücklich das Land, das Helden nötig hat." (aus Brechts Galilei)? Sind einfach die LehrerInnen allesamt VersagerInnen, oder stecken sie nicht genauso in von außen aufgedrückten Zwängen? Über ihren Köpfen hängt der Lehrplan, der Stundenplan, der Planungsplan, Plan, Plan, Plan... Natürlich will ich die Situation nicht überzeichnen oder mich erdreisten, den Sinn eines Lehrplans im Allgemeinen anzuzweifeln. Aber da ist etwas in der Planung schiefgelaufen: der Sinn von Schule ist Bildung, nicht Phrasen auswendiglernen. Albert Einstein hat dazu einmal einen ziemlich klugen Satz gesagt (keine Panik E=mc^2 ist zwar wahrscheinlich auch relativ klug, den mein ich aber nicht): "Bildung ist das, was übrigbleibt, wenn man alles vergessen hat, was man in der Schule gelernt hat." Nein, diesen Charakter darf Schule nicht behalten. Das Lernen Erlernen, endlich Freude am Lernen bekommen, das war dem/der Einzelnen bisher allein überlassen. Für viele Menschen ist lernen nichts, als sich einer Autorität zu beugen. lehren dagegen bedeutet für sie Macht auszuüben. "Die Schule und die gesellschaftliche Realität", so hätte ich diesen Text vielleicht gerne überschrieben. Er wäre dann wissenschaftlich, auf sprachlich hohem Niveau und erstreckte sich über zehn Seiten. Zum Schluß ständ ein Verweis auf mein neues Buch. ? Was ich damit sagen will: Schule ist kein isolierter Bereich, sie ist bestimmt von unserer Gesellschaft, diese wiederum ist... (huch, so wollte ich doch gar nicht erst anfangen) ...und das alles läßt sich verändern - ehrlich. Also: Selber denken! Selber machen!

Matthias Hartmann